06.09.2022
Willy-Brandt-Schule Warschau II Zeitzeugengespräch mit Peter Keup und der Schulgemeinschaft
Am Abend des ersten Projekttages fand sich noch einmal eine Runde interessierter Menschen in der Willy-Brandt-Schule ein. Rund 15 Gäste, darunter die stellvertretende Schulleitung, Eltern, Lehrkräfte, Schüler*innen und eine Praktikantin der Schule, versammelten sich um 18 Uhr in einem Stuhlkreis, um dem DDR-Zeitzeugen Peter Keup zuzuhören. Zum zweiten Mal an diesem Tag erzählte er seine Geschichte – die Geschichte des Aufwachsens in einem System, dessen Strenge der junge Peter Keup wegen des Ausreiseantrages seiner Eltern so sehr zu spüren bekam, dass er beschloss, zu fliehen. Dabei wurde er gefasst, was für ihn Haft in verschiedenen Gefängnissen bedeutete. Eines davon befand sich in Cottbus, wo er paradoxerweise heute arbeitet – nicht nur in derselben Stadt, in der er gefangen war, sondern im ehemaligen Gefängnis, welches heute ein Menschenrechtszentrum beherbergt. Eine der Zuhörenden stammt selbst aus Cottbus und nahm dort auch DDR-Nostalgie wahr. „Als Privatmensch kann ich schwer damit umgehen, denn der Preis für ein Wohlfühlen war hoch. Doch Leute haben sich arrangiert“, erwiderte Peter Keup darauf.
Während der Haft im Cottbuser Gefängnis lernte Keup seinen besten Freund kennen. Er erzählte, wie dieser ihm aus einer tiefen Verzweiflung half, die ihn nur zu Boden schauen ließ, um niemanden zu sehen und von niemandem gesehen zu werden. „Du musst nach oben schauen! Da ist Himmel, da sind Wolken, da ist Freiheit!“ sagte sein Freund damals zu ihm. Die Dramatik dieser Anekdote, die er selbst als pathetisch bezeichnete, brach er, indem er vom immer noch sehr nahen, aber nicht unproblematischen Verhältnis der beiden Freunde erzählte: „Er ist mehr als nur ein Freund. Allerdings ist er auch mein Zahnarzt“. Die Bemerkung lockerte die Stimmung des gebannten Zuhörens und man hörte das ein oder andere leise Lachen. Vielleicht war dieses Detail deswegen Bestandteil der Geschichte – auch am Morgen brachte es die Schüler*innen zwischen den Bildern von Enge und Beklemmung, die die Geschichte zeichnete, zum Schmunzeln.
Außer nach Cottbus wurde nach typischen Fragen in Schulklassen, nach Keups erstem Eindruck von Westdeutschland und nach seiner Einschätzung des Zustands der Demokratie in Deutschland gefragt. Nach dem Gespräch machten alle Gäste den Eindruck, die Schule an diesem Abend etwas reicher zu verlassen. Einige blieben noch etwas länger, um sich mit Peter Keup auszutauschen oder von der Projektleiterin der Deutschen Gesellschaft e. V., Christina Heiduck, mehr über die Geschichtswerkstatt "HIddenSTORY" zu erfahren.